Liebe Jessica,
Du hast so einiges getriggert bei mir ... erst habe ich gelacht, dann war ich irritiert und schließlich ist mir das Lachen im Hals stecken geblieben.
Eins steht schon mal fest - Du bist jung und hast noch so viel vor Dir. Du kannst Dinge noch mal ganz anders angehen.
Und dies nicht nur aus Deiner Jugend heraus.
Die Möglichkeiten sind heute ganz andere als wir dies zur Jahrtausendwende machen konnten. Ich möchte nur mal erwähnen, dass wir Ende der 1990er die Mitarbeiter zwingen mussten, nicht mehr ihre persönlichen Notizen in Kundengesprächen zu nutzen, sondern die zentral zu Verfügung gestellten MS-Word-Dokumente. Erst so konnten wir einigermaßen einheitliche Aussagen generieren.
Am 31.12.1999 hatte ich "Notdienst" und drei "Mobiltelefone" mit Karten von drei unterschiedlichen Netzbetreibern in Europa dabei. Das eine Telefon war immer noch so groß wie ein Aktenkoffer und stand die ganze Nacht in irgendeiner Ecke.
Der USB-Stick wurde im darauf folgenden Jahr erfunden. Die 5 1/4 und 3 1/2 Zoll Disketten wurden dann aber erst langsam abgeschafft und vorerst durch die CD ersetzt.
Und das erste iPhone mit 2G kam 2007 auf den Markt.
Was will ich sagen - einerseits seid Ihr schon mal in ein ganz anderes Umfeld hineingeboren. Und andererseits bekommt Ihr von Anfang an die wesentlich höhere Innovationsgeschwindigkeit mit. Früher wurde einmal im Jahr ein sogenannter IT-Release durchgeführt, dann zweimal, dann viermal im Jahr. Keiner konnte sich vorstellen, wie dies denn überhaupt zu schaffen sein könnte. Wenn wir uns heute unsere Telefone anschauen, dann erhalten die Apps gefühlt jeden Tag ein Update.
Und gleichzeitig habe ich das Gefühl, alles wird eben wegen der Geschwindigkeit immer oberflächiger. Beim Essen daddel ich gleichzeitig mit dem Handy. Gespräche nehme ich nur halb wahr, denn ich bin schon im nächsten Termin. Beziehungen entstehen nach dem Swipen einer App.
Versteh mich bitte nicht falsch. Ich liebe die Innovationen. Das GPS-Navigationsgerät war für mich persönlich die genialste Erfindung - zu Land wie auf dem Wasser.
Aber ich muss auch in der Lage sein mit Karte, Kompass, Zirkel und Dreieck zu navigieren. Andernfalls bin ich bei Stromausfall völlig aufgeschmissen. Genauso sollte ich in der Lage sein, auf der Straße oder im Café fremde Menschen anzusprechen. Und genau da fehlt mir immer mehr die Ruhe und Muße.
Und jetzt zurück zu weiß, älter, Mann, grauer Bart.
Ich habe das Privileg hier in eine freie Gesellschaft geboren worden zu sein. Da konnte ich gar nichts zu und das war reines Glück.
Dass ich alt werde, merke ich nicht nur an meiner Kondition und den mehr werdenden Zipperlein, sondern meinen immer mehr ergrauenden Bart sehe ich tagtäglich deutlich im Spiegel. Aber ich bin auch kein Fußballer oder anderer Sportler.
Doch wenn so etwas eine junge Personalerin dann als Auswahlkriterium heranzieht, halte ich dies für gefährlich. Gerade in Zeiten, in denen jeden Monat fast 100.000 Menschen in Rente gehen, gleichzeitig aber nur 20.000 junge Berufsanfänger dazustossen.
Und die deutsche Migrationspolitik ist auch nicht darauf ausgerichtet wirkliche Talente ins Land zu holen.
Also – das Rad der Veränderung dreht sich immer schneller, immer schneller, immer schneller, …
Dies bedeutet doch im Umkehrschluss, dass wir aufgeschlossene Menschen brauchen, die gemeinsam die neue Welt gestalten.
Doch dann grenzen wir uns innerhalb der Gesellschaft zwischen den Generationen, Geschlechtern u.a. immer mehr ab.
Gerade hier auf LinkedIn habe ich das Gefühl, wir treiben immer wieder neue Säue durchs Dorf. Da war es erst Quiet Quitting, dann die unfähigen Führungskräfte, dann die unwilligen Gen Z und nun nehme ich wahr, dass die Mitarbeiter mit scheinbaren Tätigkeiten ihre Arbeitszeiten schinden.
Wäre es nicht an der Zeit, gemeinsam nach Lösungen zu suchen. Wenn ich mir allein vorstelle wie viele meiner Generation mit ihrem Arbeitgeber im Clinch liegen oder gar vor Gericht sind. Wenn man alle diese Ressourcen und dieses Know How nutzen würde. Welche Dynamik damit in Bewegung käme.
Ja – dazu ist natürlich der Wille für Veränderungen, der Wille für Gemeinsamkeiten, der Wille auch für die eigene Weiterentwicklung notwendig. Aber ehrlich, dies unabhängig von Alter, Geschlecht, Hautfarbe o.a. andere Kriterien. Ich kenne junge Menschen, fast halb so alt wie ich, die Null Bock haben sich zu verändern oder sich zu bewegen. Aber genau diese sollten wir alle gemeinsam mitreißen. Denn wir alle gemeinsam sind die Gesellschaft und verantwortlich für unsere Zukunft sowie die Zukunft unserer aller Kinder.
Nein – mit „weiß, älter, Mann, grauer Bart“ hast Du mich nicht getroffen, aber getriggert.
Es liegt an uns gemeinsam Brücken – in die Zukunft - zu bauen!
Emotionale Grüße aus dem Siebengebirge
Andreas #altundweise
Und nächstes Mal gehe ich dann wirklich auf Deine Frage, wie wir das Ruder rumreißen, ein. Als Aufhänger hatte ich mir da schon die aktuelle Situation der Bundeswehr sowie die China-Politik ausgeguckt.
Andreas Jelden, geboren 1966, unterstützt insbesondere Unternehmer und Führungskräfte, ihre berufliche Veränderungen mit Leichtigkeit zu meistern, um Vom Außen Getriebenen zum Innen Zufriedenen zu werden.
Seit 40 Jahren arbeitet er mit und für Menschen, hat kleine und große Teams geführt. In Krisenregionen wie auch sonst hat Andreas umfangreiche Krisenmanagementerfahrungen gesammelt.
Persönliche Herausforderungen haben ihn sein ganzes Leben begleitet. Deshalb ist er immer wieder andere Wege gegangen und hat neue Lösungen erarbeitet.
Andreas arbeitet systemisch, methodenübergreifend sowie integrativ emotionsorientiert auf Basis der aktuellsten neurowissenschaftlichen Grundlagen.
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