Liebe Jessica,
kennst du das, wenn dir partout etwas nicht einfallen will oder dir ein kompletter Zeitraum fehlt.
So habe ich das Gefühl, dass mir die komplette letzte Woche fehlt.
Nicht, dass ich diese nicht erlebt habe. Aber es sind andere Dinge passiert, welche nicht normal waren. Meine Frau war eine Woche in Rom. Ich musste auf unseren Hund aufpassen. Es gab einen Feiertag. Doch wegfahren konnte ich nicht, da ich Termine hatte, … und und …
Dann kam der Horror-Samstag mit all den Bildern. Damit kamen in mir auch Bilder aus meiner Kindheit und Jugend auf, die wiederum gar nicht zu denen in den Medien passten.
Und plötzlich ist alles so bedeutungslos geworden …
Dann ploppt von dir eine Nachricht auf, ob ich letzte Woche etwas geschrieben hatte … WAS?!
Ehrlich gesagt bin ich nun noch mehr durcheinander. Ist das mein Alter? Bekomme ich die Dinge nicht mehr übereinander?
Fakt ist, dass die Welt heute nicht mehr dieselbe ist, wie vor 7 Tagen.
Meine Freunde in Israel arbeiten von zu Hause aus. Sie müssen immer wieder mit der kleinsten Tochter in den Schutzraum gehen, der kleiner ist als jede Toilette. Und die beiden Großen, jünger als unser Sohn, sind in der Armee …
„Die Trauer hier und die Zahl der verlorenen Menschenleben ist betäubend.“
Batia, meine Gastmutter, sagte mir Ostern 1981, dass ihre Söhne nach dem Abitur erstmal um die Welt reisen, bevor sie zur Armee gehen. Ich konnte dies damals überhaupt nicht erfassen - um die Welt reisen.
„Wir wollen ihnen alles ermöglichen, das Leben kennen zu lernen. Denn wir wissen nicht, ob sie von der Armee wieder zurückkommen werden.“
Für mich, in der Wiege des Westens von Westdeutschland aufgewachsen, völlig unverständlich.
Später dachte ich, ich hätte es verstanden.
Heute - im täglichen Austausch - glaube ich ansatzweise zu verstehen, was sie meinte.
Jetzt können wir lamentieren. Das können wir eh gut! Das haben wir hervorragend gelernt.
Oder wir können hingehen und etwas ändern.
Das heißt klar sein, transparent sein und den Scheinwerfer auf die wichtigen Dinge zu richten.
UND wie Düsen Tekkal sagte, die kräftigste Waffe aller Waffen einsetzen: die Berührung!
So waren wir gestern in Bonn und haben unsere Solidarität mit Israel und all seinen Bewohnern bekundet. Das war extrem berührend, weil viele ihre persönliche Betroffenheit geteilt haben.
Und ich weiß, wie wichtig es ist, für die Betroffenen einfach nur da zu sein. Meine Freunde sind so dankbar dafür, dass wir an sie denken.
So ich stelle mir die Frage, wie schaffen wir es als Community, als Gemeinde, als Stadt, als Gesellschaft so viel Energie und Schwung auf die Straße zu bringen, dass alle mitgerissen werden, neugierig und hoffnungsvoll sich für eine friedvolle Zukunft zu engagieren.
Gerne gehe ich später noch mal auf deinen Brief und die Künstliche Intelligienz ein, denn diese Woche durfte ich am Innvovative Leaders Day teilnehmen und dies war ein mehr als inspirierender Tag.
Jetzt wünsche ich dir und deiner Familie erstmal ein friedvolles Wochenende
Schöne Grüße aus Deutschland
Andreas
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