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Den Tod will ich nicht! (3)



Liebe Jessica,



herzlichen Dank für Deinen Brief.


Die Zeit rennt nur so dahin. Als kleiner Junge ging es mir nie schnell genug.

Ob es das Aufwachen und die Freude auf den Tag war, das Warten auf den Geburtstag oder andere Feiertage. Dann habe ich darauf hin gefiebert, endlich mit 12 im Auto vorne sitzen zu dürfen. Oder mit 18 endlich nicht nur den Führerschein in der Hand zu halten, sondern eine neue Freiheit genießen zu dürfen.


Jetzt haben wir beide uns wöchentlich verabredet und ich möchte Dir eigentlich täglich schreiben.

Es passiert so viel.


Du schriebst, dass wir gemeinsam mit aufgeschlossenen Menschen eine neue Welt gestalten.


Wir sind aber nicht aufgeschlossen.

Diese Woche ist bei uns im Ort eine angesehene Persönlichkeit zu Grabe getragen worden - jünger als meine Frau. Und Ihr Mann hatte folgendes Zitat ausgewählt:

„Bis zur Stunde der Trennung kennt die Liebe ihre eigene Tiefe nicht.“

(Kahlil Gibran)


Und gestern hat Cawa gepostet, dass wir insbesondere in großen Unternehmen oft gar nicht mitbekommen, dass ehemals nahe Menschen von uns gegangen sind. Leider habe ich dies auch schon erleben müssen.


Über die Jahre habe ich immer mehr den Eindruck erhalten, dass wir in unseren Sphären glauben, das Leben ist unendlich. Und der Tod wird ausgegrenzt.

Bei uns zu Hause wurde nie über den Tod gesprochen. Der Tod war aus Kriegszeiten heraus noch viel zu präsent und meine Familie wollte sich damit nicht auseinandersetzen.


Und vor Kurzem habe ich in einer Organisation, welche sterbende Menschen begleitet, erfahren, wie extrem schwierig es ist, mit den Angehörigen über den nahenden Tod zu sprechen.


Während des Jugoslawien-Krieges haben wir bei der Unterstützung vor Ort unbeschreibbares Leid erlebt. 2021 haben wir an der Ahr Tag für Tag Menschen mit fürchterlichen Traumata begleitet. Unseren Sohn hätten wir beinahe zweimal verloren. Und ich komme nun auch in ein Alter, in dem immer mehr Kollegen und Freunde versterben.


Wie sagt Padmasambhava (8. Jh. bis 9. Jh. n. Chr.) [Tibetisches Totenbuch]

"Nun, da mir der Baro des Todes dämmert,

will ich alles Greifen, Sehnen und Anhaften aufgeben,

will unabgelenkt in das klare Gewahrsein der Lehren eintreten

und mein Bewusstsein in den Raum des ungeborenen Rigpa ausschleudern.

Nun, da ich diesen aus Fleisch und Blut zusammengefügten Körper verlasse,

will ihn als vorübergehende Illusion erkennen."


Im Moment des Todes gibt es zwei Dinge, auf die es vor allem ankommt: auf das, was wir im Leben getan haben und auf den Zustand unseres Geistes in jenem Augenblick.


Sind wir uns selbst gegenüber aufgeschlossen?

Sind wir uns selbst gegenüber ehrlich?

Wissen wir, was wir wollen?

Wissen wir, was wir tun?


Erst wenn ich Ich selbst bin, kann ich dann so agieren und mich dann auch entsprechend entwickeln.

Und da ist es übrigens angeraten, sich dauerhaft weiterzuentwickeln.

Nicht nur, dass die jüngste Gehirnforschung den Mythos „Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr“ virtuos widerlegt hat, sondern uns beweisen die 'alten' Menschen in den sogenannten Blauen Zonen, dass ein Leben jenseits unseres Rentenalters nicht nur erfüllend, sondern auch extrem bereichernd sein kann. Und am Rande sei bemerkt, dass diese Menschen nie aufhören zu arbeiten.



Ja ... ich bin bei Dir - wir brauchen aufgeschlossene Menschen, um eine neue Welt zu gestalten.


Doch ich möchte mich auf meinen Tod freuen!

- egal ob der mir noch heute oder erst in 50 Jahren begegnet.


Und das heißt, ich darf bei mir selbst anfangen

- aufgeschlossen zu sein.

- mich selbst anzunehmen, so wie ich bin.

- neugierig zu sein wie ein kleines Kind.

- zielstrebig zu sein wie Pfeil.

- entspannt zu sein wie der Bambus im Wind.

- zufrieden zu sein wie eine Amsel beim Abendgesang.


So schaffe ich dann die Grundlage, all mein Wissen, meine Weisheit und auch meine Energie zu anderen Menschen zu transferieren, damit diese sich dann der Schönheit der Welt öffnen und Verantwortung übernehmen.


Wer eine Freude an sich bindet,

des beschwingtes Leben schwindet;

wer die Freude küsst im Flug,

hat der Sonne stets genug.

(William Blakes)

Freude






Wunderbare Grüße aus dem sonnigen Siebengebirge

Lass Deine Emotionen fliegen 🥏

Andreas



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